• Produktionsland: Frankreich
    Produktion: Margaret Ménégoz
    Erscheinungsjahr: 1988
    Regie: Jean-Claude Brisseau
    Drehbuch: Jean-Claude Brisseau
    Kamera: Romain Winding
    Schnitt: Jean-Claude Brisseau, María Luisa García, Annick Hurst
    Spezialeffekte: -
    Budget: ca. -
    Musik: -
    Länge: ca. 91 Minuten
    Freigabe: FSK 16
    Darsteller: Bruno Cremer, François Négret, Vincent Gasperitsch, Fabienne Babe, Lisa Heredia, Fejria Deliba, Thierry Helene, Sandrine Arnault, Victoire Buff, Françoise Vatel, Albert Montias, Lucien Plazanet


    Inhalt:

    Der 14-jährige Bruno kommt gerade in sein neues Zuhause: eine Wohnung im 15. Stock eines Betonmonsters, das im Pariser Vorort Seine-Saint-Denis in den kalten Himmel ragt. Seine Mutter, die rund um die Uhr arbeiten muss, sieht er nur in Form von kleinen Notizzetteln. Im zehnten Stock – die Aufzüge sind kaputt – begegnet er dem jungen Jean-Roger, der gerade die Fußmatte seines Nachbarn anzündet. Am nächsten Tag trifft er ihn wieder: sie gehen in dieselbe Klasse. Nachdem die beiden sich anfreunden, lernt Bruno Jean-Rogers Familie kennen: Aggression und Langeweile bestimmen dort den Alltag, während sich der Frust in brutalen Streichen seinen Weg bahnt. Willkommen in der Banlieue!

    Neben William Faulkners großartigem Roman gab es Ende der Achtziger Jahre einen Film des französischen Regisseurs Jean-Claude Brisseau, für dessen Titel ebenfalls diese Zeilen aus Shakespeares Macbeth Pate standen: LÄRM & WUT (OT: De bruit et de fureur).

    Der Film, der 1988 in Cannes mit dem Spezialpreis der Jugendjury ausgezeichnet wurde, provozierte seinerzeit einen kleinen Skandal, als er aufgrund seiner ungeschönten Darstellung von Jugendgewalt in Frankreich für den Kinostart zunächst die so seltene Freigabe „ab 18 Jahren“ erhielt – eine Entscheidung, die einigen Protest auslöste, u.a. von Regiekollegen wie Barbet Schroeder (BARFLY). Dabei gelang Jean-Claude Brisseau mit seinen kalten, klaren Bildern, die immer wieder durch surreale Szenen unterbrochen werden, zwar ein aufwühlender und heftiger aber auch sehr ehrlicher Film über das trostlose Leben in den Pariser Vororten.


    Trailer:

    Deutsche DVD Fassung: 18.02.2011 (Bildstörung)

    Bonusfeatures:
    - DIE FERNBEDIENUNG IN DER HAND – Regisseur Jean-Claude Brisseau kommentiert die
    Eingangsszenen seines Films (27 Min.)
    - BRISSEAU CINÉASTE – Making-of-Dokumentation von Luc Ponette (40 Min.)
    - DER FALL UND DER FLUG – Interview mit Regisseur Jean-Claude Brisseau (25 Min.)
    - 24-seitiges Booklet mit einem Essay von Dennis Vetter und Auszügen aus dem original Presseheft
    zum Kinostart
    (alle Features mit deutschen UTs)


    Kritik:

    Das der Regisseur eine Vorliebe für sexuelle Gelüste und schöne nackte Frauenkörper hat, ist nicht zu übersehen und in späteren Filmen sollte die Erotik bei Regisseur Jean-Claude Brisseau in seinen Filmen dann auch die Oberhand gewinnen. Dementsprechend provokant geht er hier damit um. Die Kulissen liefern einiges an Graffiti, somit wird auch die Unterschicht präsentiert und die Kids haben auf den Straßen das Sagen. Es gibt hier viele harte Szenen, wie das quälen eines Hundes, der ans Moppet gebunden wird und der Hund wird jaulend hinterher gezogen, für zarte Gemüter ist dieses Drama nichts, auch wenn die Hundeszene mehr auf die Psyche schlägt als wie ein leidendes Tier zu zeigen.
    Zu erspähen gibt es ein Sylvester Stallon (Rocky) Poster im Zimmer eines Jungen und im späteren Verlauf wird ein Zombiefilm gezeigt, wobei ich jetzt nicht drauf gekommen bin, was für einer dass ist. Es wird in den Block-Wohnungen Schiessübungen mit Gewehren abgehalten. So eine Klassenschlacht wie hier zu sehen, gab es in einem Film wohl noch nie, was einer Revolution gleich kommt, wo auch die Klassenlehrer durch die Gegend geworfen werden. Gerade die eine Szene wo ein Junge (Jean-Roger) mit 2 Arme am Schuldach runterhängt und Revolution ruft bleibt unvergessen. Der Film ist auch witzig und hat so einige Brüller zu bieten, wo man nicht mehr an sich halten kann. Es ist deutlich zu merken, dass Jean-Roger alles von seinem Vater und Bruder übernimmt, die ihm ein ganz schlechtes Vorbild sind. Zunächst als Nebenplot ist dann noch der 2.Junge Bruno, welcher an sich ohne die schlechten Einflüsse seines Kumpels Jean-Roger ein sehr braver und schlauer Junge wäre, der in der Schule sehr lernbegierig ist und auch Nachunterricht nimmt, nur hat er schnell den falschen Einfluss, was ihm dann zum Verhängnis wird. Es gibt ein paar Fantasieszenen mit einem Engel und Greifvogel, die aber nicht zu vordergründig auftreten. Wenn gleich es am Ende diesbezüglich etwas zu verwirrend eingesetzt wird, so lässt die übernatürliche Erscheinung aber viel Luft zum reinspekulieren, wirklich schlüssig ist das Finale damit nicht. Ich hab es so gesehen, dass Jean-Roger im Rausch, somit auch der Zuschauer aus seiner Sicht, etwas anderes gesehen hat, als es tatsächlich zutrifft.
    Die 2 jungen Hauptdarsteller werden sehr glaubhaft gespielt, von Bruno (Vincent Gasperitsch) hat man anschließend nie wieder etwas gehört. Jean-Roger (François Négret) hatte noch 2 interessante Auftritte in den 80er Dramen „Auf Wiedersehen, Kinder“ und „Weiße Hochzeit“ der ebenfalls vom Regisseur Jean-Claude Brisseau ist.

    „Das einzige was zählt bis du selbst. Die Gesetze sind für Idioten.“
    Lärm und Wut ist die blanke, frechste Jugend-Anarchie, wie sie im realen Leben auch so hart vorkommt.

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  • Der 13jährige Bruno lebt mit seiner Mutter in einer Banlieue vor Paris. Bruno sieht seine Mutter sehr selten, da diese meist ihrer Arbeit nachgeht um in naher Zukunft einen Umzug in eine bessere Gegend finanzieren zu können.

    In der Schule lernt Bruno, der vereinzelnd in einer Traumwelt lebt, Jean-Roger kennen. Jean-Roger stammt aus schwierigen sozialen Verhältnissen, Niemand achtet auf das was er macht. Als Bruno, der alles andere als dumm ist, Nachhilfestunden der Klassenlehrerin erhält, entwickelt sich bei Jean-Roger, Hass und Eifersucht. Der Beginn eines Dramas.

    Es gibt einige Filme die sich mit sozialen Missständen, mit der Verrohung von Jugendlichen auf Grund fehlender Obhut und fehlendem Verständnis auseinandersetzt. Allerdings ist kein Film in seiner Weise so intensiv, wie es bei Lärm und Wut der Fall ist. Bereits 7 Jahre vor Mathieu Kassovitz Le Haine, spiegelte Jean-Claude Brisseau, die dunkelste Seite Frankreichs wieder. Ein Film, der von der Hoffnungslosigkeit, der Leere seiner Hauptdarsteller lebt. Hoffnungslosigkeit, die sich in Aussichtslosigkeit und Gefühlskälte äußert. Brisseau zeigt uns ein Ende, das dem Zuschauer die Sprache nimmt. Man lässt das Dargebotene vor seinen Augen ablaufen und weiß weder Rat noch Hilfe. Der Film zeigt menschliche Abgründe und koppelt diese in einem depressiven Gesamtbild. Er trifft den Zuschauer dort, wo es ihm am meisten weh tut.

    Lärm und Wut ist mehr als eine Milieustudie, mehr als die Interpretation von Einsamkeit, Verlorensein und Eifersucht. Lärm und Wut ist brutale Realität. So hart dieses auch klingen mag, der Film spiegelt nichts anders als die grausame Wirklichkeit wieder. Lärm und Wut hinterlässt einen sprachlosen und zugleich faszinierten Zuschauer. Fasziniert von der Art und Weise, wie der Film umgesetzt wurde, sprachlos ob der letzten Minuten, die er authentisch miterlebt hat und erst einmal verarbeiten muss.

    „Leben ist nur ein wandelnd Schattenbild: Ein Märchen ist's, erzählt von einem Blöden, voller Lärm und Wut, das nichts bedeutet." (William Shakespeare)


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  • Weit in der Ferne...

    Hoffnungslos nennt man wohl diese Umstände, ein Umhertraben, ein Dahinvegetieren, mit dem Bewusstsein, dass dort Draussen ausser dem Zwang, nur der Tod, die Verzweiflung, oder das qualvolle Ende der Hoffnungslosigkeit schwebt. Zerüttet in dem Dasein des Gefangenseins, wie ein Vogelkäfig, gehalten, der sich aber aber nach Freiheit sehnt, wie es seine Flügel erlauben, bestimmt seine ursprüngliche Natur sich frei bewegen zu können. Die Leiter nach oben in der Ferne, doch sie bricht immer ab und so verschwimmt das Leben in Beton aus Grau in Grau, weil man ausser Provokation, vor lauter Rückschläge, nichts Anderes mehr kennt. Doch in den Köpfen herrscht der Unmut eines jeden Menschen, sich wünscht hinfortzuschweben.

    Der Vater ein aggresiver, besitzergreifender, bestimmender und gewaltbereiter Arsch, der eine Sohn verloren, der Andere, der aus dem Sumpf der Belanglosigkeit heraus möchte. Inmitten Brüno, alleingelassen von der Mutter, die in der banalen Hoffnung nach etwas Besserem strebt, aber ihren Sohn dadurch vernachlässigt. Sein einziger Besitz ist sein kleiner Vogel und seine Fantasie nach reinem Frieden, die durch die Zuneigung einer imaginären, in weisse Laken der Reinheit umhüllte, wunderschöne Frau, die seine nach Wärme greifende Hand hält.. Er ist genügsam, voller Willen, wissensbegierig, doch auch voller Trauer und Weltschmerz, weil seine kleine Welt in Hochhaushohen Sümpfen in Endstationen versinkt.

    Alleine diese Hoffnungslosigkeit gescheiterter und auswegloser Existenzen offenbart der französische Film, der damals einen handfesten Skandal, aufgrund seiner schonungslosen Inszenierung gewaltbereiter Jugend aufbereitete, symbolisch, denn auch wenn er nur eine dramatische, nicht gerade gehalt ,- oder spannungsvolle Geschichte erzählt, rüttelt er aufgrund seiner bildgewaltigen Zweideutigkeit extrem auf. Langsam erzählt, zeigt er uns eine karge, graue und kaputtene Welt von Menschen, die in Schulen ihre Stunden absitzen, obwohl sie wissen, dass ihr Dasein keine Zukunft in dieser Zeit hat und sie nach Hause kommen, ohne Wärme, dafür aber Brutalität, Einsamkeit und den Hass auf sich und ihre in Ketten gelegte Umwelt erfahren müssen.

    Es ist sinnvoll den Film in einem gnadenlos schranzigen Hochhaus spielen zu lassen, in dem Unmengen von Menschen ihr Leben fristen. Massenmenschenhaltung der unschönsten Art, es ist ein Hausen, sie sind eingekerkert, doch der Lärm um sie herum könnte ihnen nicht egaler sein, steigert sich die ignorante Wut immer weiter aus, die der kleine Bruno immer weiter erfahren muss. Symbolträchtig schildert der Film ein kaltes Grauen der Realität und banalisiert fast schon lebensverneinend unser Tun und sein, denn ein Gesetz kennen diese mittellosen Menschen nicht, ausser sich selbst beschützen zu müssen.

    Der Film bietet Schlüsselsituationen, die man entweder auf sich einrieseln lässt, oder die den traurigen Umstand, der auf das alles hinausspielte noch mehr untermauern. Einige, sofern man sich nicht in das schreckliche, absolut realistische Szenatio hineinversetzen kann, werden es als schlichtes Teendrama abstempeln, dabei bietet der Film, der irgendwo eine Gradwanderung zwischen Kids, Rollins Night of the Hunted oder dem deutschen Film Bübchen ist, doch viel mehr.

    Sofern er anprangern möchte oder aufrütteln will, tut er das verdammt gut, denn er schildert eine Zwecksfreundschaft, zweier noch so ungleicher Menschen rücksichtslos, wo andere Dramen schon längst abgeblendet hätten. Ignoranz des Vaters führt zu kalter Wut, ein Nichtgeborgensein, das man an seiner Umwelt auslassen muss, auch wenn die genauso vor die Hunde geht. Ob der Hund hinterm Motorad hergezogen wird, oder elendige Säufer auf der Parkbank angezündet werden, der Vorschlaghammer trifft immer die, die noch kleiner sind, oder nicht fähig sich zu wehren.

    Es ist klar, dass der Film dies nicht zur Unterhaltung zelebriert, denn wenn man es anders betrachtet ist der Film ein Mahnmal der in eine andere friedvolle Welt schielt, was man an vielen Situationen und am Ende auch erahnen kann. Wer das nicht erkennen kann oder nicht will, ist genauso gefangen, wie der eine Vogel, der aus seinem Käfig nicht entfliehen kann, oder die weisse Taube, die nach Frieden bettelt.

    In einer Szene trifft der Vater es auf den Punkt, kritisiert er doch die scheinbar banalen Taten seines zweiten, älteren Sohnes, der nun zu arbeiten beginnt. Er würde versklavt werden, ausgenutzt wie ein kleines Stück Vieh, abgerattert und elendig verendet für eine Arbeit, die ihn zwar unterhält, aber seine Seele raubt. Doch die Widersprüchlichkeit kommt auch hier mit dem Dampfhammer, liegt die wahre Intention des Filmes darin, die Worte des Vaters zwar zu bejaen, doch er selbst ödet vor sich hin, vor lauter Schmutz, Hass, Wut und Dreck. Der Film differenziert zwischen störriger Anschaunung und einem Gefangensein in festgefahrenen Vorurteilen.

    Es ist zwar so, dass der Film mit Bruno einen eigentlichen Protagonisten hat, aber eigentlich bezieht er sich auf die Allgemeinheit der Gemeinschaft. Eine Gemeinschaft, in der man sich beweisen muss, in der man eigentlich nur untergehen kann. Bruno weiss das, denn er passt sich unbewusst dem Flegelsohn des zerstörten Vaters an, um nicht alleine zu sein, seine Zeit vertreiben zu können, doch anderwertig bleibt er länger in der Schule um mit seiner zuvorkommenden und ruhigen Treuseele von Lehrerin mehr zu lernen, da er von ihr wirkliche Akzeptanz und Respekt erfährt. Allein die Szene, in der der Junge, nach dem er für seine gute Arbeit gelobt wird und er fragt, ob er kein Taugenix ist, macht den Film klarer, zeigt er nur zu sinnbildlich auf, was Bruno und der bzw. diese Menschen brauchen, aber fast nirgends finden.

    Der Film braucht nicht vielmehr als ein paar Teenies, ein ranziges Hochhaus, die Schule und einen Park um zu schildern, wo sich die Hauptmotivation bewegt. Und das Ende mag zwar hart und direkt sein, doch es kommt Knall auf Knall, wie es nur allzu menschlich ist. Der Gnadenstoss bekommt immer derjenige verpasst oder verpasst es sich selbst, der es am wenigstens notwendig. Aber man weiss es nicht, denn alles wie in dem Film, je nach Standort ist Interpretationssache.

    Es ist ein wechselhaftes, zwanghaftes Mitziehen, Fliehen, Vergessen und Hoffen. Doch am Ende bleibt nur die Freiheit - wer tot ist lebt wirklich. Womöglich in Frieden...

    Lärm und Wut ist ein seltenes, ruhiges, lautes, wütendes und traurig pessimistisches Drama, dass Hoffnung weckt, einen aufhorchen lässt und doch alles im Keim erstickt, kommt man sich nach dem Sehen so klein, belanglos und eingeschlossen vor. Was hat ein Leben zu bieten, in dem man auf der Stelle steht. Perspektiven muss man sich schaffen, aber nicht durch radikale Zerissenheit erzwingen, denn dadurch zerstört man die Emotion, den eigenen Frieden und meist die eigene Umwelt.

    Lärm und Wut kann man jedem ans Herz legen, der sich als Mensch wieder selbst entdecken möchte, bei einem Film nachdenken ,- fühlen und leiden möchte, und auch soviel Weitsicht besitzt, den Film nicht als plakatives Jugenddrama abtun zu müssen.

    Geheimtipp !

  • oh man was für ein heftiger film. da muss man erstmal drauf klar kommen. diesen film kann ich jedem ans herz legen. der hinterlässt echt nen bedrückenden eindruck.

    [film]9[/film]

    "One side of me says, I'd like to talk to her, date her. The other side of me says, I wonder how her head would look on a stick? " (Edmund Kemper)


  • Lärm & Wut
    (De bruit et de fureur)
    mit Bruno Cremer, Francois Negret, Vincent Gasperitsch, Fabienne Babe, Maria Luisa Garcia, Fejria Deliba, Thierry Helene, Sandrine Arnault, Victoire Buff, Francoise Vatel, Albert Montias, Luzien Plazanet, Antonio Garcia, Antoine Fontaine, Luc Ponette
    Regie: Jean-Claude Brisseau
    Drehbuch: Jean-Claude Brisseau
    Kamera: Romain Winding
    Musik: Keine Information
    FSK 16
    Frankreich / 1988

    Der 14-jährige Bruno kommt gerade in sein neues Zuhause: eine Wohnung im 15. Stock eines Betonmonsters, das im Pariser Vorort Seine-Saint-Denis in den kalten Himmel ragt. Seine Mutter, die rund um die Uhr arbeiten muss, sieht er nur in Form von kleinen Notizzetteln. Im zehnten Stock die Aufzüge sind kaputt begegnet er dem jungen Jean-Roger, der gerade die Fußmatte seines Nachbarn anzündet. Am nächsten Tag trifft er ihn wieder: sie gehen in dieselbe Klasse. Nachdem die beiden sich anfreunden, lernt Bruno Jean-Rogers Familie kennen: Aggression und Langeweile bestimmen dort den Alltag, während sich der Frust in brutalen Streichen seinen Weg bahnt.


    Auf den ersten Blick erscheint "Lärm & Wut" lediglich ein weiterer Film zu sein, der sich dem Thema Jugendkriminalität widmet und dabei nicht unbedingt neue Aspekte aufwirft, die für ein besonderes Interesse beim Zuschauer sorgen könnten. Doch ziemlich schnell muss man feststellen, das dieser aussergewöhnlich gute Film sich doch ziemlich erheblich von den meisten anderen Vertretern abhebt, die eine ähnlich gelagerte Richtung einschlagen. Nicht umsonst löste das Werk von Jean-Claude Brisseau seinerzeit einen kleinen Skandal aus, indem es vollkommen ungeschönt und kompromisslos die Jugendgewalt in Frankreich darstellte. Bedenkt man das der Film mittlerweile über zwanzig Jahre auf dem Buckel hat, dann ist es umso erschreckender, welch hartes Szenario sich einem doch bietet, das in der heutigen Zeit sicherlich fast täglich an verschiedensten Orten auf der Welt passiert. Die hier in den Vordergrund tretende Härte äussert sich dabei nicht zwangsläufig durch explizite Gewaltdarstellungen, sondern vielmehr durch die Situation an sich und die von ihr ausgehende Selbstverständlichkeit, die den Zuschauer phasenweise wirklich schockiert und sprachlos macht.

    Im Focus der Geschichte steht der junge Bruno, der nach dem Tod seiner Großmutter zu seiner Mutter zieht, die er allerdings nie zu Gesicht bekommt, da sie den ganzen Tag über arbeiten muss und ihm lediglich Zettel hinterlässt, auf denen immer wieder steht was er zu tun hat. Gleich zu Beginn bekommt man dabei einen sehr tiefen Einblick über die starke Sensibilität des Jungen, der durch die vorhandene Einsamkeit immer wieder Besuch einer weiblichen Fantasiegestalt erhält, die sich ihm phasenweise auch splitternackt darstellt im Endeffekt aber nichts anderes als seinen Wunsch nach Aufmerksamkeit und Zuneigung ausdrückt, der von seiner nie anwesenden Mutter nicht gestillt werden kann. Durch dieses offensichtliche Defizit ist Bruno dann auch sehr empfänglich für jede Form der Anerkennung, die ihm von dem kriminellen Nachbarn Jean-Roger entgegengebracht wird, der gleichzeitig auch sein Klassenkamerad in der Schule ist. Durch diese Bekanntschaft gerät Bruno dann auch in einen Teufelskreis der Jugendgewalt, die allerdings zu keiner Zeit durch ihn selbst ausgeübt wird, vielmehr stellt er den stillen Beobachter dar, der diese Gewalt mit einer erschreckenden Selbstverständlichkeit hinnimmt, als wenn es die normalste Sache auf der Welt wäre. Was dem Zuschauer dann hier geboten wird, erscheint phasenweise so grotesk und skurril, das man in gewissen Passagen einfach nicht anders kann, als in Gelächter auszubrechen. Dabei bieten die Ereignisse im Prinzip keinerlei Grund dazu, geht von ihnen doch eigentlich ein immenses Maß an Härte aus, das einen mit der Wucht eines Keulenschlages in die Eingeweide trifft und zunehmend sprachloser macht.

    Dafür zeichnen in erster Linie die Verhältnisse in Jean-Rogers Familie verantwortlich, denn diese lediglich als Asozial zu bezeichnen, wäre wohl die größte Untertreibung aller Zeiten. Beherrscht von einem gnadenlosen Vater werden die Kinder dazu animiert nichts zu tun und sich das Leben so zu gestalten, wie es ihnen gerade gefällt. Den Lebensunterhalt verdient man sich dabei mit Diebstählen und anderen kriminellen Aktivitäten und ein Begriff wie Respekt gilt hier vielmehr als Fremdwort. Was sich in den vier Wänden dieser Familie abspielt, kann man kaum in Worte fassen, sind die Geschenisse doch teilweise so absurd, das es einem die Sprache verschlägt. Das Erschreckende daran ist insbesondere die absolute Selbstverständlichkeit, mit der beispielsweise Schießübungen mit scharfer Munition durchgeführt werden, bis man letztendlich ein so großes Loch in die Wand geschoßen hat, das man in die Nachbarswohnung schauen kann. Auch wenn solche Szenen im ersten Moment eher belustugend erscheinen, drücken sie doch umso mehr die vorherrschende Langeweile und Tristesse des Alltags aus, der hier anscheinend vorherrscht. Tristesse ist dabei genau das richtige Sprichwort, hält diese doch sofort zu Beginn Einzug in diesen aussergewöhnlichen Film, wenn sich dem Zuschauer die riesige und absolut trostlose Betonlandschaft offenbart, die in einer Vorstadt der französischen Hauptstadt Paris angesiedelt ist. Von der ersten Minute an legt sich ein extrem beklemmendes Gefühl über einen selbst, drückt der äusserst hässliche Wohnkomplex doch die totale Hoffnungslosigkeit aus, so das man erst gar keinen Gedanken an eine bessere Zukunft verschwindet. Es entsteht der Eindruck, das jeder der hier wohnt einsam und verlassen ist und sich zudem mit diesem Schicksal abgefunden hat. Und genau das ist die größte Stärke dieses Werkes, denn Jean-Claude Brisseau hat es nahezu brillant verstanden, dem Zuschauer das Gefühl der absoluten Tristesse und Hoffnungslosigkeit zu vermitteln, wodurch die Geschichte erschreckend authentisch und realistisch erscheint.

    Verstärkt wird dieser Eindruck durch die wirklich herausragenden Darsteller, wobei insbesondere die Leistungen der jugendlichen Schauspieler ganz besonders hervorgehoben werden müssen, denn ihren fantastischen leistungen ist es in erster Linie zu verdanken, das dieser Film seine ganze Wirkung entfalten kann, die sich wie ein bleierner Mantel über die Schultern des Betrachters legt und diesen dabei förmlich erdrückt. Die ganze Zeit über vermag man nicht, sich dieses Mantels zu entledigen, zu sehr ist man der grausamen Faszination dieser Geschichte erlegen, die einen sehr nachhaltigen Eindruck hinterlässt. Fassungslos muss man die Brutalität und Eiseskälte der Jugendlichen miterleben, denen das Leben eines Menschen anscheinend überhaupt nichts wert ist, was man vor allen in den letzten Minuten des Filmes erkennen muss. War die Geschichte bis dahin schon extrem heftig, so wird man noch einmal in eine Dimension geführt, die härter und brutaler nicht hätte ausfallen können. Dabei wird dem ganzen noch eine ordentliche Portion Tragik zugeführt, die einen äusserst schalen Beigeschmack hinterlässt, aber gleichzeitig genau der richtige Abschluss für einen Film ist, den man nicht so schnell vergisst. Insgesamt gesehen hat Jean-Claude Brisseau mit "Lärm & Wut" einen Film geschaffen, der sich ganz erheblich von anderen Vertretern mit ähnlicher Thematik abhebt, denn selten hat man eine solch realistisch erscheinende Story gesehen, die nicht nur rein optisch eine Eiseskälte verströmt. Knallhart und absolut kompromisslos wird hier eine Lebenssituation nachgezeichnet, die nachdenklich stimmt und ihre Spuren hinterlässt. Insbesondere durch das herausragende Schauspiel seiner Darsteller vermittelt der Film einen Eindruck, den man lieber in das Reich der Fantasie abtun würde, der aber leider die grausame und schockierende Realität nachzeichnet, von der man in der heutigen Zeit oft selbst betroffen ist.


    Fazit:


    Mit "Lärm & Wut" hat das Independent Label Bildstörung einmal mehr einen ganz großen Wurf gelandet, denn diesen Film kann man ohne Übertreibung als schockierendes aber gleichzeitig sehr realistisches Meisterwerk bezeichnen. Die perfekte Inszenierung von Tristesse und Hoffnungslosigkeit gepaart mit den fantasievollen Sehnsüchten eines einsamen kleinen Jungen ergeben hier einen Gesamteindruck, der kaum besser hätte ausfallen können. Faszinierend und schockierend zugleich präsentiert sich dem Zuschauer eine Geschichte, die an Realismus und Kälte kaum zu überbieten ist und deren große Stärke die herausragenden Schauspieler sind, die dieses Werk zu einem schockierenden Meisterwerk machen. Wer ein wirklich brillantes Jugend-Drama zu schätzen weiss, der kommt keinesfalls an diesem Film vorbei, der auch nachhaltig im Gedächtnis haften bleibt.


    Die DVD:

    Vertrieb: Bildstörung
    Sprache / Ton: Deutsch / Französisch DD 2.0 Mono
    Untertitel: Deutsch
    Bild: 1:1,33 (4:3 Vollbild)
    Laufzeit: 90 Minuten
    Extras: - DIE FRENBEDIENUNG IN DER HAND – Jean-Claude Brisseau kommentiert die Schlüsselszenen seines Films (ca. 20 Min.)
    - BRISSEAU CINÉASTE – Making-of-Dokumentation von Luc Ponette (ca. 45 Min.)
    - DER FALL UND DER FLUG – Interview mit Regisseur Jean-Claude Brisseau (ca. 20 Min.)
    - ca. 20-seitiges Booklet


    [film]8[/film]

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