Leichen pflastern seinen Weg

  • Produktionsland: Frankreich, Italien
    Produktion: Attilio Riccio und Robert Dorfmann
    Erscheinungsjahr: 1968
    Regie: Sergio Corbucci
    Drehbuch: Mario Amendola, Bruno Corbucci, Sergio Corbucci Vittoriano Petrilli
    Kamera: Silvano Ippoliti
    Schnitt: Amedeo Salfa
    Spezialeffekte: Eros Bacciucchi
    Budget: ca. -
    Musik: Ennio Morricone
    Länge: ca. 105 Minuten
    Freigabe: FSK 18
    Deutscher Kinostart: 21. Februar 1969

    Darsteller:

    Jean Louis Trintignant: Silence
    Klaus Kinski: Loco
    Frank Wolff: Sheriff Gideon Burnett
    Luigi Pistilli: Pollicut
    Mario Brega: Martin
    Carlo D’Angelo: Gouverneur von Utah
    Marisa Merlini: Regina
    Raf Baldassarre: Sanchez
    Maria Mizar: Saloonmädchen
    Spartaco Conversi: Walter
    Marisa Sally: Saloonmädchen
    Remo de Angelis: falscher Sheriff
    Mirella Pamphili: Saloonmädchen
    Vonetta McGee: Pauline
    Jacques Toulouse: Miguel

    Wenn die Rede vom Italo-Western ist, wird ständig auf die Klasse der vier Sergio Leone Filme hingewiesen: Für eine Handvoll Dollar (Per un pugno di dollari), Für ein paar Dollar mehr (Per qualche dollaro in piu), Zwei glorreiche Halunken (Il buono, il brutto, il cattivo) und Spiel mir das Lied vom Tod (C'era una volta il West). Parallel nennt der Kritiker noch gern Corbuccis Django. Zweifelsohne handelt es sich hier auch um Meisterwerke, was allerdings leider meist übersehen wird ist: dass über diesen fünf genannten noch ein weiterer Italo Western steht: Leichen pflastern seinen Weg (Il grande silenzio)

    Dieser Film ist innerhalb des Genres der wohl depressivste und meist anklagende Beitrag den es jemals gab. Corbuccis Western ist mehr als ein dreckiger, düsterer und gemeiner Genrebeitrag, er zielt in weitere Bereiche, die eine Abgrundtief böse Message vermitteln.

    Corbuccis Film zeigt eine undurchdringliche Schneelandschaft, wie dieses auch José Romero Marchent in Todesmarsch der Bestien praktizierte. Dieses trägt sehr stark zu der, wie oben beschrieben, düsteren und gemeinen Atmosphäre bei, welche dem Film mehr als gut tut.

    Ein Dorf innerhalb von Utah ist geplagt von Hunger und Not, demnach bleibt den Ärmsten der Armen nichts anderes übrig als zu stehlen um zu überleben. Der Staat sieht dieses als beabsichtigtes Verbrechen und um diesem Einhalt zu gewähren setzt man Belohnungen aus, welche skrupellose Kopfgeldjäger auf den Plan rufen. Nachdem ein weiterer junger Mann von dem Kopfgeldjäger Loco getötet wird, bittet dessen Witwe den stummen Silence (der Kopfgeldjäger hasst) Loco zu töten…

    Silence, gespielt von einem brillanten Jean-Louis Trintignant, tritt zu einem Kampf an, den er nicht gewinnen kann und zum Ende von Loco regelrecht hingerichtet wird. Bis es soweit ist spielt Corbucci einige Metaphern aus. Er prangert Hexenverfolgung und Christentum in gleicher Weise an, wie Verrat und Irrglaube. Der Schlusspart des Films, in dem Silence getötet wird, ist dem einer Kreuzigung gleichzustellen. Das Leiden von Silence wird von Corbucci perfekt in Szene gesetzt.

    Corbucci zeigt mit Leichen pflastern seinen Weg seine Geschichte über Jesus. Silence ist die einzige Hoffung in einem moral- und skrupellosen Land, er kommt für die Gejagten als Hoffungsträger, als eine Art Messias um das Land von seinem Leiden zu erlösen. Diese Hoffnung wird zum Ende des Films im Keim erstickt. Silence stirbt und Loco und die Kopfgeldjäger ziehen weiter…

    [film]10[/film]

  • Il Grande Silenzio ist Italo-Western in Reinkultur: dreckig, kompromisslos und brutal. Ein Film, der durch untypische Schneelandschaft, seine ungewöhnliche Art, Handlung voranzubringen, und vor allem durch sein bitterböses Ende auftrumpfen kann. Definitiv ein Highlight, das insbesondere von Genre-Liebhabern hoch geschätzt wird, und das aufgrund der schauspielerischen Leistungen von Trintignant und eines genialen Klaus Kinski Pflichtprogramm ist.

    [film]9[/film]

  • "Leichen pflastern seinen Weg" feiert sein UHD-Debüt, ab dem 23. Januar 2025 in 4K und uncut.

    Hintergrund:

    Der Film wurde aus zwei Gründen zu einem Klassiker.
    Zum einen schuf er durch die Schneelandschaft eine einmalige Atmosphäre, zum anderen sorgte er für Aufregung wegen des brutalen Endes; denn anders als sonst in Western üblich, triumphiert hier der bzw. das „Böse“.

    Sergio Corbucci führt mit diesem Film verschiedene Ansätze des Italowestern-Genres mit zeitgeschichtlich politischen Motiven zusammen.
    Der Hauptheld ist nicht nur schweigsam, er ist vielmehr stumm.
    Der stumme Trintignant ist ein typischer Corbucci-Witz. Da ein Westernheld an sich schon wenig spricht, übertreibt Corbucci diesen Typus und stellt den Helden als Stummen dar.
    Auch war Hauptdarsteller Trintignant der englischen Sprache nicht mächtig und erhielt daher diese Rolle.
    Teilweise wurden Italowestern seinerzeit auf Englisch gedreht, um die Vermarktungschancen im anglo-amerikanischen Raum zu steigern.

    Ein weiterer Aspekt (neben dem Ende) ist die Betonung des Gesetzes und seiner Organe.
    So spricht Kinski als Bösewicht mehrfach davon, er habe kein einziges Gesetz übertreten.
    Dies wird auch durch die Figur des Friedensrichters verdeutlicht, die von Luigi Pistilli gespielt wird.
    Denn der Friedensrichter ist zugleich der Kaufmann des Ortes.
    Hier wird der damalige linke Zeitgeist deutlich, dem zufolge die Gefahr besteht, dass das Handeln des Staates und seiner Gesetze vom Kapital beherrscht wird. Gerade dieser Aspekt war für die damalige Zeit in seiner Darstellung des Films als Amerika- und Kapitalismuskritik zu werten.
    Denn durch seine Auslegung versagt das Gesetz nun als moralische Instanz.
    Der Staat schützt mit seinen Gesetzen nur das Eigentum und vergibt Kopfgeldprämien, anstatt die Menschen zu versorgen.
    Die pure Not zwingt die Menschen zum Stehlen, um überleben zu können.
    Doch dadurch werden sie zu Straftätern, die nun von den Kopfgeldjägern gejagt werden, um den „Rechtsfrieden“ zu sichern.
    Die (eigentlich „bösen“) Kopfgeldjäger sind dann diejenigen, die für Recht und Ordnung sorgen, während die „Armen“ als Rechtsbrecher bekämpft werden.

    Corbucci gelingt es, diese Art der politischen Kritik sehr leise in einen spannungsreichen Film einzubauen.
    Denn auch Silence (Trintignant) ist kein Heilsbringer. Silence selbst gibt Sergio Corbucci zwar eine Begründung für sein Handeln (ein traumatisches Kindheitserlebnis), lässt Pauline aber auch ausdrücklich erwähnen, dass er für den Auftrag, Loco zu töten, die gleiche Summe verlangt, die Loco für die Ermordung von Paulines Ehemann erhalten hat.
    Und auch er legt das Gesetz zu seinen Gunsten aus, um einen Auftragsmord als Notwehr durchgehen zu lassen.

    Trotzdem ist die Rolle von Silence wie auch die anderer Helden in Italowestern im Vergleich zu seinen Gegnern als Identifikationsfigur und Sympathieträger für den Zuschauer angelegt.
    So gesehen handelt es sich um eine bemerkenswerte Konsequenz von Corbucci, dass er Loco triumphieren lässt und dass alle Sympathieträger mitsamt den wehrlosen Geiseln kaltblütig umgebracht werden.

    Die Geschichte vom Guten, der in einer barbarischen Hölle umkommt, widmete Corbucci im Gedenken an Jesus, Martin Luther King und Che Guevara. Der Bezug zu Che Guevara und Jesus wird durch die Verstümmelung der Hände (von Silence) verdeutlicht.
    Das Motiv der zerstörten Hände hatte Corbucci schon in Django verwendet – es entstammt der römischen Geschichte und ist ein Verweis auf die Legende von Gaius Mucius Scaevola.
    Der Film soll die Unmöglichkeit der Revolution aufzeigen, denn die Hinrichtung von Silence rettet die Geiseln ebenso wenig, wie die Ermordung Che Guevaras das Leben der Menschheit verändert hat.

    Der Film kann auch verstanden werden als kritische Antwort auf "Für ein paar Dollar mehr" von Sergio Leone, der die Rolle des Kopfgeldjägers sehr viel unkritischer, ja geradezu naiv dargestellt hat (und in dem Klaus Kinski und Luigi Pistilli ebenfalls mitspielen).

    Corbucci ging soziologisch vor, indem er mit diesem Film den ersten Teil einer Trilogie geschaffen hat, die das Thema „Revolution“ behandelt.
    Während Leichen pflastern seinen Weg noch die Unmöglichkeit der Revolution aufzeigt, wird das Thema in den Filmen "Die gefürchteten Zwei" und "Laßt uns töten, Companeros" aufgegriffen, und es werden Lösungen aufgezeigt.

    Vor allem wegen seines ungewöhnlichen Endes galt dieser Anti-Western als Kultfilm der 68er-Generation.
    Doch Corbuccis Ruhm verblasste, als sich der Zeitgeist veränderte und die politische Komponente seiner Filme unbedeutender wurde. Spätere
    Werke konnten kaum noch dieses Niveau halten, sie verärgerten sogar seine früheren Fans.

    Neben der Atmosphäre überzeugen die schauspielerischen Leistungen von Kinski und Trintignant, aber auch die Nebenrollen sind hervorragend besetzt mit Luigi Pistilli als hinterlistigem Bankier und dem aus Amerika ausgewanderten Frank Wolff als Sheriff.
    Pistilli und Wolff spielten drei Jahre später in Milano "Kaliber 9" erneut zusammen.
    Beide Schauspieler begingen später Selbstmord.

    Darryl F. Zanuck bezeichnete den Film als einen der besten Western aller Zeiten.

    Auch der österreichische Regisseur Michael Haneke gilt als großer Fan des Filmes, er bezeichnete sein Ende in einem Interview mit der Wochenzeitung Die Zeit als einmalig.
    Das einzige Stück mit einer ähnlichen Handlungsstruktur, das ihm einfalle, sei Monteverdis Oper Die Krönung der Poppea.

    Die darstellerischen Leistungen von Trintignant und ganz besonders von Kinski sind ebenso hervorzuheben wie die prägende Musik von Ennio Morricone.
    Diese wurde später von der Band Thievery Corporation verwendet. Die Grindcore-Band Cripple Bastards veröffentlichte eine EP, die sie nach dem Originaltitel des Films benannte.

    Bemerkenswert an diesem Film ist auch die ungewöhnliche Waffe, die die Hauptperson benutzt.
    Corbucci lässt Silence mit einer Mauser C96 schießen, einer im Jahre 1898, in dem der Film spielt, hochmodernen Selbstladepistole, deren Futteral auch als Anschlagschaft dient (was im Film zu sehen ist) und die am Schluss von Loco als Beute einkassiert wird – die gleiche Waffe wird auch im Spätwestern "Sinola", welcher im gleichen Zeitraum spielt, mit und ohne Anschlagschaft gezeigt und mit typischen Schnellfeuer-Salven eingesetzt.

    -------------------------------------------

    Alternatives Ende:

    Auf der DVD-Veröffentlichung des deutschen Labels „Kinowelt“ findet sich auch ein angeblich für Japan oder Nordafrika gedrehtes alternatives Ende.
    Es soll seinerzeit auf Druck des Produzenten entstanden sein, der das tragische Ende ablehnte.
    Die Tonspur ist allerdings nicht erhalten.
    Dieses Ende wirkt jedoch stellenweise wie eine (vielleicht vom Regisseur auch beabsichtigte) Parodie eines der Handlungsentwicklung widersprechenden, krampfhaften Happy Ends.
    Loco wird hier nicht von Kinski, sondern von einem Doppelgänger gespielt.

    In dem alternativen Ende wird Silence vom Sheriff gerettet, indem dieser Loco in letzter Sekunde erschießen kann.
    Ob das Auftauchen des Sheriffs, den Loco zuvor in einem zugefrorenen See versenkt hat, irgendeine plausible Erklärung hat, kann nicht beantwortet werden, da der dazugehörige Ton nicht erhalten ist.

    Nachdem Loco relativ unspektakulär zu Boden gesunken ist, schlägt der eigentlich schwer verletzte Silence einen Purzelbaum und erschießt alle Kopfgeldjäger, enthüllt einen Fehdehandschuh unter seinem Verband.
    Und am Ende hält er noch Pauline, die in dieser Variante auch nicht stirbt, grinsend in den Armen.
    Im Januar 2013 erschien in Italien eine Neuauflage des Films.
    Das alternative Ende liegt als Zusatzmaterial nun mit Ton vor, zudem ist die Bildqualität deutlich verbessert.

    Gedreht wurde der „Western im Schnee“ in Cortina d’Ampezzo, in St. Kassian (Gemeinde Abtei (Südtirol)), in den Abruzzen, am Braccianosee und in den römischen Elios-Studios.

    Mein Herz schlägt für meine Mama &

Participate now!

Don’t have an account yet? Register yourself now and be a part of our community!