Die Angst des Tormanns beim Elfmeter

  • Produktionsland: Bundesrepublik Deutschland, Österreich
    Produktion: Wim Wenders, Thomas Schamoni, Peter Genée
    Erscheinungsjahr: 1971
    Regie: Wim Wenders
    Drehbuch: Wim Wenders, Peter Handke
    Kamera: Robby Müller
    Schnitt: Peter Przygodda
    Musik: Jürgen Knieper
    Budget: 600.000 Tausend DM
    Länge: ca. 96 Min.
    Freigabe: FSK 12
    Deutscher Kinostart: 3. Januar 1977

    Darsteller:

    Arthur Brauss: Josef Bloch
    Kai Fischer: Hertha Gabler
    Erika Pluhar: Gloria
    Libgart Schwarz: Anna
    Marie Bardischewski: Maria
    Bert Fortell: Zollbeamter

    Handlung:

    Der Fußballtorwart Josef Bloch wird bei einem Ligaspiel des Feldes verwiesen. Folglich verlässt er das Stadion um - in der ihm unbekannten Stadt Wien – herumzustreunen. Als er die Kinokassiererin Gloria kennen lernt verbringt er auch gleich mit ihr die Nacht. Am nächsten Morgen erwürgt Bloch seine neue Bekanntschaft…

    Es hat lang gedauert bis dieser Wim Wenders Film zur ehrenvollen Veröffentlichung auf DVD und BluRay kam. Als Grund wird das Lizenzieren der Musikrechte angegeben. Teile des Soundtracks mussten verändert werden und wurden mit einer zeittypischen, analogen Soundtechnik eingespielt.

    Das Warten hat sich gelohnt und der Freund des deutschen Films kann nun endlich DIE ANGST DES TORMANNS BEIM ELFMETER in digitalisierter Form sichten. Wer hier einem einfachen Film entgegenblickt der wird schnell eines Besseren belehrt. Wenders TORMANN ist alles andere als einfache Kost.
    Der Film fordert den Rezipienten und gibt ihm die Möglichkeit zur eigenen Interpretation. Denn Wenders zwingt hier nichts auf. Er lässt seinen Film aus dem Blickwinkel der Hauptfigur ablaufen. Zeigt dessen Gemütszustände, Ängste und Gleichgültigkeit.

    Auf die unausweichlichen Fragen wie:

    „Was ist mit diesem Menschen nicht in Ordnung?“
    „Warum hat er gemordet?“
    „War der Mord Absicht oder war es Teil eines übersteuerten Spiels?“

    wird keine eindeutige Antwort gegeben.

    Nun wird sich der oder die ein oder andere fragen was ein solcher Film vermitteln will? In erster Linie sei hier auf die vereinzelnd verstörend wirkenden Bilder hingewiesen. Wenders zeigt spärliche Räumlichkeiten die von einer depressiven Aura getragen werden. Wien ist kalt und vor allem ein Ort an dem vereinsamte Menschen leben. Dieses kalte Bild überträgt sich auch auf die ländliche Gegend in der sich der Film in seiner zweiten Hälfte ansiedelt.

    Die klassischen Elemente eines Kriminalfilms werden außen vorgelassen. Es gibt keine Ermittler oder ähnliches. Würde Block in einer Situation nicht verängstig in Richtung eines Polizeiwagens blicken, so könnte es sein das der Zuschauer den Mord längst vergessen hat.

    Was das Finale des Films anbelangt so hätte Wenders (aus meiner Sicht) kein besseres wählen können. Die letzten Sätze des Josef Bloch geben dabei einen starken Ansporn zur Interpretation.

    Die Rolle des Josef Bloch wird von einem hervorragenden Arthur Brauss gespielt. Einer der Schauspieler die ich seit vielen Jahren überaus zu schätzen - und vor allem ein Schauspieler der schwierige Rollen erfolgreich zu bewältigen - weiß. Neben Erika Pluhar als Mordopfer begegnet man (innerhalb einer kleinen Rolle) Maria Englstorfer. Den KOTTAN ERMITTELT-Fans als Frau Komarek in der Episode DROHBRIEFE bekannt.

    Fazit: Kein einfaches (aber extrem lohnenswertes) Kino. Die Freunde von anspruchsvoller Filmkost müssen unbedingt rein schauen.

    Edited 2 times, last by sid.vicious (October 24, 2015 at 11:04 AM).

  • Hintergrund:

    Wim Wenders las das Manuskript seines Freundes Handke bereits vor der Veröffentlichung des Buches und entschloss sich, einen Film daraus zu machen.
    Dabei hielt er sich genau an die Buchvorlage.
    Das Budget des Films betrug etwa 600.000 DM, die wichtigsten Geldgeber waren der Westdeutsche Rundfunk und die österreichische Telefilm AG.
    Dadurch konnte Wenders erstmals mit professionellen Schauspielern zusammenarbeiten.
    Sein letzter Film, Summer in the City, hatte noch ein Budget von nur 12.000 DM.
    Zum ersten Mal drehte Wenders nach einem Drehbuch und in Farbe.

    Die Angst des Tormanns beim Elfmeter war der erste Film, der im 1971 gegründeten Filmverlag der Autoren erschien.

    Von Überlegungen, für die Rolle des Josef Bloch den deutschen Nationaltorwart Wolfgang Fahrian zu verpflichten, nahm man Abstand, und entschied sich stattdessen für einen erfahrenen Schauspieler, nämlich Arthur Brauss.
    Dieser wurde später von Kritikern gelobt.

    Der Film wurde am 29. Februar 1972 erstmals im Fernsehen gezeigt und kam am 13. Oktober desselben Jahres in die deutschen Kinos.
    Wenders und Handke waren davon ausgegangen, dass der Film erfolgreich würde.
    Diese Erwartung erfüllte sich jedoch nicht.
    Ein Grund dafür war, dass aufgrund des Titels ein typischer Sportfilm erwartet wurde, während "Die Angst des Tormanns" beim Elfmeter ein psychologisches Krimi-Drama ist.
    Bei den Kritikern fand der Film aber durchaus Anerkennung.

    Auf der Berlinale 2015 wurde eine digital restaurierte Fassung gezeigt, nachdem der Film 40 Jahre lang aufgrund fehlender Musikrechte weder im Kino zu sehen noch auf Bildträgern verfügbar gewesen war.
    Bei der Produktion des Films hatte Wenders "gar nicht gewagt, an andere Nutzungen als das Kino in Deutschland und eben das Fernsehen zu denken", und die Musikauswahl ohne Rücksicht auf langzeitige oder internationale Rechte an den zahlreichen Popmusikstücken getroffen.
    Für die Neuveröffentlichung wurden viele Pop-Klassiker, für die der Rechte-Erwerb zu teuer gewesen wäre, durch neu geschriebene Lieder im Stil der Entstehungszeit ersetzt.

    In einer Szene ist Wim Wenders zu sehen, der an einer Reisegruppe vorbei durch die Halle eines Bahnhofs schreitet (Cameo).

    Mein Herz schlägt für meine Mama &

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